A Modern way to schreber –
EIn INterview mit Anne Peter & Jens Amende
Anne Peter und Jens Amende über Laubentraum und Gartenglück
Bevor Anne Peter und Jens Amende nach einem Tag im Schrebergarten den Rückweg in die Stadt antreten, lassen die beiden Hobbygärtner stets noch einmal den Blick durchs Grüne streifen und sind stolz auf das, was sie geschafft haben. Seit vier Jahren beackert das Paar in der Nähe von Düsseldorf einen rund 400 Quadratmeter großen Kleingarten, den es liebevoll „Nyponhus“ nennt, was auf Schwedisch Hagebuttenhäuschen heißt. Auf Instagram (@nyponhus) teilen die beiden nicht nur ihr digitales Gartentagebuch, sondern lernen über die Plattform auch immer wieder viele andere Gartenbegeisterte kennen. In ihrem Buch „A Modern Way To Schreber“ (gibt’s auch hier im Shop) haben sie 20 inspirierende Garten-Bekanntschaften auf ihrer Reise durch Deutschland und Österreich porträtiert. Angefangen haben sie im eigenen Garten. Wie Anne und Jens dort die Balance zwischen Erholung und handwerklicher Spielwiese gefunden haben, erzählen sie hier im Interview.
Woher kam die Lust auf Laube?
Wir sind beide ländlich aufgewachsen. Nach ein paar Jahren in der Großstadt fehlte ein Ort, um mit den Händen in der Erde zu graben, um einfach mal in der Natur zu entschleunigen. Trotzdem sahen wir uns nie in einem Einfamilienhaus im Vorort oder gar auf dem Land, dafür lieben wir das Kulturangebot in der Stadt viel zu sehr. Ein Schrebergarten ist für uns die Lösung, Stadt und Land miteinander zu verbinden.
Wie auch für viele andere Stadtpflanzen. Die Nachfrage wächst – nicht erst seit der Pandemie …
Allerdings. Wir sind den klassischen Weg gegangen und standen drei Jahre lang auf einer offiziellen Warteliste. Manche warten noch länger. Schneller geht es manchmal über private Inserate. Das ist meistens aber auch teurer, denn dann bestimmen die Vorbesitzer den Abschlag, keine unabhängigen Gutachter.
Hat es direkt bei der ersten Besichtigung eures Schrebergartens Klick gemacht?
Ehrlich gesagt haben wir ihn zunächst abgelehnt. Eigentlich waren wir sofort verliebt: In die roten Backsteine, die kleinen Fenster, den alten Pflaumenbaum. Bei näherer Betrachtung sahen wir allerdings seinen katastrophalen Zustand. Der Garten war verwahrlost, die Laube roch feucht und hatte keinen Strom. Wir lehnten ab. Unsere Hochzeit stand kurz bevor, unsere Akkus waren leer. So ein großes Projekt fühlte sich zu dem Zeitpunkt nicht gut an. Ein Jahr später gab der neue Besitzer den Garten wieder ab, da er keine Zeit dafür fand. Zwischenzeitlich hatte er das Dach repariert und Strom gelegt. Jackpot. Wir waren voller Tatendrang, das Abenteuer diesmal zu wagen.
Und wie seid ihr die Gestaltung eurer Parzelle schließlich angegangen?
Wir haben unseren Garten im Dezember 2018 übernommen. Das heißt, wir hatten noch einige Winterwochen vor uns, in denen wir Pläne geschmiedet, Moodboards gebastelt und „Gardener’s World“ – eine britische Serie mit Gartenexperte Monty Don – geschaut haben. Es gab immer einen Plan für die Optik der Laube, die Aufteilung des Gartens sowie die Gemüse- und Blumenauswahl. Im ersten Gartenjahr haben wir erst einmal abgerissen, ausgebuddelt und zurückgebaut. Das war anstrengend, teilweise sogar frustrierend, weil es am Ende nicht viel besser aussah als vorher. Da sind wir ziemlich an unsere Grenzen gestoßen. Manchmal sind wir am Wochenende um 19 Uhr nach Hause gefahren, haben kurz geduscht und sind sofort ins Bett gefallen. Verrückt, an welchen Stellen man überall Muskelkater bekommen kann. Zum Glück haben wir viele tolle Freunde, die richtig Lust hatten, mit anzupacken. Zu zweit wäre das nicht möglich gewesen – zumindest nicht in der Zeit.
Kam irgendwann der Moment: Puh, wir haben uns übernommen?
Das erste Gartenjahr ist uns tatsächlich sehr an die Substanz gegangen. Wir mussten lernen, dass der Garten ein „kann“ und kein „muss“ ist. Man hätte ihn ab der ersten Sekunde genießen können. Auch im Gerümpel kann man sich mit einem Kaffee in die Sonne legen. Anfangs haben wir nur die Baustellen gesehen und uns selbst unter Druck gesetzt. Aber hey, im Garten haben wir keine Deadlines. Im Job arbeiten wir ständig auf Fristen hin, auch in der Wohnung müssen Sachen fertig werden, weil man dort lebt. Der Garten hingegen ist nur ein Extra. Alles, was wir dort schaffen und machen ist toll, aber wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Ein Garten soll keine zusätzliche Arbeit sein, sondern ein Ausgleich, eine Auszeit aus unserem sitzenden Alltag vor dem Computer. Seitdem setzen wir uns dort nur noch kleine Ziele, damit es uns nicht über den Kopf wächst.
Worauf legt ihr Wert in eurer grünen Oase?
Das Anbauen von Gemüse hat für uns einen großen Stellenwert. Mit dem Korb durch die Hochbeete zu gehen, wohlschmeckendes Gemüse zu ernten und anschließend zu Salat oder Nudelsoße zu verarbeiten, macht ein besonders gutes Gefühl. Dabei überzeugt uns nicht nur die geschmackliche Komponente, sondern auch der regionale und saisonale Gedanke. So kurze Wege vom Beet auf den Teller hat man sonst nirgendwo – ganz ohne Verpackungsmüll. Und in konservierter Form kann man sich selbst im Winter noch über die reiche Ernte aus dem eigenen Garten freuen. Wie herrlich ein frisch geöffnetes Glas Brombeermarmelade nach Sommer duftet. Neben dem Aspekt der partiellen Selbstversorgung ist uns aber auch der Freizeitgedanke wichtig. Wir lieben es, hier im Schrebergarten Zeit mit Familie und Freunden zu „verschwenden“: Bei Waffeln, Stockbrot oder klimpernden Eiswürfeln im Weinglas. Deshalb war es uns auch so wichtig, im Garten übernachten zu können.
Das klingt gemütlich. Wie schafft es der Garten, euch zu entschleunigen?
Nichts erdet uns so sehr wie das Zupfen von Unkraut, das Ernten der Tomaten oder das Kochen von Pflaumenmus. Da schalten wir richtig ab von unseren Schreibtischjobs.
Und wenn etwas mal nicht so läuft?
Am bittersten trafen uns bisher sicherlich die Sturmschäden. Das alte Dach vom Wintergarten wurde im ersten Gartenjahr weggeweht, unser alter Pflaumenbaum verlor während des Sturms durch die Schwere der Pflaumen zwei große Äste, der Flieder wurde ganz gefällt und auch das Gewächshaus blieb nicht unversehrt. Der Verlust und die Beschädigung von Pflanzen geht uns immer besonders nah. Bei Anzucht und Ernte haben wir gelernt, dass man vieles nicht beeinflussen kann. In einem Jahr hat man prall gefüllte Tomatensträucher, im nächsten Jahr wollen sie nicht richtig reif werden. Das ist okay – und mittlerweile kein Grund mehr für uns, sich zu ärgern.
Seit 2019 buddelt ihr nun in eurem Garten. Inwiefern hat sich euer Blick auf den Garten verändert?
Wir finden, die Beziehung zu einem Garten ist ein wenig wie eine Liebesbeziehung. Am Anfang ist es ganz aufregend und neu, man hat jedes Mal Schmetterlinge im Bauch, wenn man das Gartentürchen öffnet: Wie sieht der Garten heute wohl aus? Welche Frühblüher kommen zum Vorschein? Wie wird der Schatten fallen, wenn die Tage länger werden? Und welche Tiere werden uns begegnen? Nach ein paar Monaten kehrt Routine ein. Man hat sich in den besten und schlechtesten Momenten kennengelernt und weiß, wie man miteinander umgeht, damit man eine gute Zeit zusammen hat – Kompromisse inbegriffen. Aber selbst nach 4 Jahren Beziehung kann man sich tatsächlich oft noch überraschen!
Drei Tipps, wie aus spießig „A Modern Way to Schreber“ wird:
1. Farbe! Lasst euch von dem dunklen Braun der alten Lauben nicht abschrecken. In hellen Farben lackiert wirkt die Holzverkleidung direkt wie ein skandinavisches Sommerhaus und auch mit bunten Farben könnt ihr tolle Akzente setzen.
2. Pflanzenwahl! Traut euch, Pflanzen aus dem Garten zu entfernen, die euch nicht gefallen. Bei uns durften Rosen und Rhododendren zum Nachbarn ziehen. Stattdessen wachsen nun Lavendel, Schafgarbe und Fetthenne im Beet.
3. Lieblingsgegenstände! Begeht nicht den Fehler, nur aussortiertes Geschirr mit in den Garten zu nehmen, sondern wählt ganz bewusst Lieblingstassen für diesen Ort, der bald für euch wie ein zweites Zuhause sein wird. Wir haben unsere selbst getöpferten Schälchen mit in den Garten genommen sowie Keramik, die wir auf Reisen gefunden haben.
Fotos: Anne Peter und Jens Amende/Knesebeck Verlag
Das Interview wurde von unserer Autorin Lena Gradl geführt.