Gebt den Gärten die Blumen zurück!

Jora Dahl

Es gibt einen neuen Trend im Garten. Wobei, neu ist er eigentlich nicht, aber mir scheint, dass er in den letzten Jahren ganz schön Fahrt aufgenommen hat. Der Garten soll zum neuen Wohnzimmer werden und draußen denselben Komfort bieten wie drinnen. Gartenmöbel erscheinen als riesige Sofa-Landschaften, der schnöde Grill ist von der stylischen Outdoorküche abgelöst worden, das Himmelbett darf auch nicht fehlen, es werden Teppiche ausgelegt und natürlich muss die Beleuchtung stimmen.

Neulich hat mich eine Gartenbesitzerin kontaktiert, die die Planung eines großen Staudenbeetes bei mir in Auftrag gegeben hat. Das Ein-Familien-Haus war drei Jahre alt, der Garten noch eine Brache. Sie schickte mir vorab den Plan einer Landschaftsarchitektin zu, der ihr irgendwie Unbehagen bereitet hat. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus: Geplant wurden sechs (!) Terrassen um das ganze Haus herum. Die Pflanzen – weiße Hortensien, Lavendel und Chinaschilf –  waren dabei scheinbar nur noch als reine Deko dieser riesigen „Wohnlandschaft“ gedacht. Die Vorstellung, wie man sechs Terrassen mit Liegelandschaften, Outdoorküchen und Teppichen füllen will, lies mich erschaudern. Ist es wirklich das, was wir wollen, wenn wir in den Garten gehen? 

Ich glaube nicht. Natur, wenn auch im Garten gebändigt, kultiviert und auf ihre Essenz zugespitzt, funktioniert völlig anders: weiche, organische Formen, Laute, Gerüche, Farben, das Spiel der Jahreszeiten. Es ist das genaue Gegenteil von der Welt, die wir uns im Haus geschaffen haben. Es ist zuweilen chaotisch und unberechenbar (eine Pflanzplanung funktioniert ganz anders als eine Interieur-Planung), zugleich überraschend (wo kommt diese wunderbare Akelei plötzlich her?), unglaublich dynamisch (ein Staudenbeet gleicht einem Theaterstück in 12 Akten) und zuweilen atemberaubend schön. 

Während ich diese Worte zu Papier bringe, sitze ich auf einem schlichten Holzstuhl und blicke von meiner einzigen 15-qm-Terrasse in mein Blütenmeer. Meine Gartenliege stelle ich im Frühling neben das duftende Narzissenbeet, im Frühsommer unter den alten Flieder, im Sommer zu der raschelnden Birke und im Herbst unter den rotglühenden Essigbaum. Ich stelle sie ins Gras, dafür brauche ich auch gar keine Terrasse. Leichte und handliche Gartenmöbel sind mein ultimativer Tipp an meine Kundinnen, denn der ganze Garten will belebt und erlebt werden. 

Auf die Frage, an was sie denkt, wenn sie an „Garten“ denkt, sagte die Kundin mit dem Staudenbeet: An Bienen, Schmetterlinge und Vögel, an bunte, duftende Wildblumen und selbstgeflochtene Kränze im Haar, an tanzende Gräser im Wind. Ich würde sagen: Da ist die Gartenplanung gerade noch mal gut gegangen. Wahrscheinlich würde ich die ganze Sache entspannter sehen, wenn man diese neuen Wohnlandschaften mit Dekopflanzen einfach in Zukunft schlicht „Outdoor-Bereiche“ nennen würde und nicht mehr „Garten“. Denn das ist etwas ganz anderes. 

Erschienen in der Sommerausgabe der Zeitschrift “let it bloom”.

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