Ein Garten aus 100 Samentütchen

Über ein Buch, das meine Sichtweise aufs Gärtnern grundlegen änderte

Eines meiner wichtigsten Gartenbücher im Regal hat nur 120 Seiten, kein einziges Foto und ist leider auf deutsch nur noch antiquarisch erhältlich (die englische Version findet ihr hier). James Fentons ‚Ein Garten aus 100 Samentütchen‘ hat jedoch meine Einstellung zum Gärtnern grundlegend und für immer verändert.

Fenton ist eigentlich ein englischer Lyriker und es sollte sein einziges Gartenbuch bleiben. Die Essenz seiner Gedanken, die er in diesem kleinen Büchlein teilt, ist sehr simpel und revolutionär zugleich. 

Er schreibt:

“Vergessen Sie Struktur. Vergessen Sie Bäume, Sträucher und Stauden. Dies ist kein Buch über große Projekte. Es geht darum Ihren Weg zu einem ursprünglichen Blumengarten zu finden, und zwar auf dem traditionellsten aller Wege: ein paar Samen zu pflanzen und zu sehen, wie sie wachsen.”  

Original: “Forget structure. Forget trees, shrubs, and perennials. This is not a book about huge projects. It is about thinking your way toward the essential flower garden, by the most traditional of routes: planting some seeds and seeing how they grow.”  James Fenton, A Garden from a hundred Packets of Seed, Farrar, Strauss & Giroux-3PL, 2005

Die Idee, auf all die grundlegenden Dinge des Gartendesigns zu pfeifen und sich der wesentlichsten Sache des Gärtnerns zu widmen: einen Samen zu säen und zu schauen, was passiert – finde ich umwerfend einfach. Er geht in seinem Blumengarten im Grunde wie ein Gemüsegärtner vor.

Im Winter überlegt die Gemüsegärtnerin: Was möchte ich im nächsten Jahr essen? Mit welchen Kräutern will ich würzen? Welche neuen Sorten will ich probieren? Und sie erwirbt die Samen und sät sie aus.

Wie würde ein Blumengarten aussehen, in dem man auf dieselbe Art gärtnert? Die Fragen wären: Welche Blumen möchte ich dieses Jahr im Garten bewundern, welche Sorten für die Vase ernten? Welche Sorten kenne ich noch nicht und will sie testen? Welche Farben sollen meinen Garten dominieren?

Wie wäre es, ein Jahr auf alle Gartencenter-(Fehl)käufe zu verzichten, keine Hecken, Immergrünen, Rosen und Hortensien zu pflanzen, sondern sich auf diese eine wesentliche Arbeit zu konzentrieren: im Frühjahr Hunderte von Samen in Aussaaterde zu setzen, später die Jungpflanzen auszupflanzen, zu wässern, düngen, pflegen und zuzuschauen, wie sie wachsen. 

So ein Garten ist sicher nicht zu jedem Zeitpunkt vorzeigbar. Er hat keine gute Erscheinung im Winter, mit Sicherheit vermittelt er wenig Beständigkeit und wirkt auch nicht sonderlich repräsentativ. Aber ist das wirklich wichtig?

Und er ist auch nichts für Gärtnerinnen, die es super pflegeleicht wünschen. Setzlinge sind Babys und erfordern besonders anfangs entsprechend Aufmerksamkeit. Wenn sie groß sind, danken sie einem die Arbeit hundertfach, tausendfach mit ihren wundervollen Blüten.

So ein Blumengarten kann einen mit zwei wesentlichen Dingen stärker verbinden, als es der „klassisch designte“ Garten tut. Er verbindet einen mit dem Wesen der Blumen, da wir beginnen, sie auf neue Art ganz für sich zu betrachten und nicht als Funktion in einem Gartenschema.

Und er verbindet mit der eigenen Kreativität, die in jedem von uns steckt. Gestalten zu können ist eins der höchsten Güter, die wir als Menschen haben. Ein Garten aus 100 Samentütchen ist ein Garten voller Dynamik, Farben, Formen, Rhythmen. Wir können mit den Blumen malen, Akzente setzen, Drama erzeugen, beruhigen, energetisieren. Und wir können dies immer wieder Jahr für Jahr in anderer Gestalt tun. Ein Maler malt auch nicht nur einmal ein Bild und ist dann für immer fertig, oder?

Nicht alles wird gelingen, nicht alle werden wir mit so einem Garten beeindrucken können. Wir werden Krisen haben. Aber wir werden daran wachsen und ein großes Glück in Verbundenheit mit uns und den Blumen erleben, davon bin ich zutiefst überzeugt.

James Fentons Büchlein könnt ihr jetzt bei uns in englischer Sprache hier erwerben!

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